"Doepfer-Story - Der Modul-Mogul"
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(Textauszüge aus dem Firmenportrait in der Fachzeitschrift Keys, Ausgabe 12/97 ab Seite 152, mit freundlicher Genehmigung des Presse-Projekt-Verlages).

Was passiert, wenn Zivildienst, ein Kliniklabor und ein Physikdiplom zusammentreffen? Nichts. Und was, wenn man zu dieser Mischung einen jungen Dieter Döpfer gibt? Es entsteht ein Modul-Synthesizer. Und eine imposante Unternehmerkarriere.

Dieter Döpfers erster Kontakt mit der Musikwelt versprach auch sein letzter zu werden: Der Vater machte Akkordeonstunden zur Pflicht und Sohnemann lernte den Tastenbalg spielen und hassen. Als Döpfer 1972 sein Physikstudium in München begann, hatte er lange schon das Akkordeon zur Seite gelegt und zur Gitarre gegriffen. Langweilig sollte es nicht mehr werden und so bastelte der Student Phaser und Wahwahs für Gitarre.

Eher zufällig stieß er dabei in ein Gebiet vor, das ihn fortan nicht mehr loslassen würde: Über die Tünker-Bücher (Drei mittlerweile vergriffene Buchtitel über elektronische Musik und Synthesizer, Anm. d. Red.) kam ich auf Synthesizer. Das waren damals ja noch weitgehend unbekannte Geräte. Man kannte zwar Moog und später auch Roland und ARP, aber von der Technik war noch wenig bekannt. Der wirkliche Durchbruch - zumindest in Kreisen wie den meinen - kam mit dem Formant.

Der Formant, ein Selbstbausatz der Zeitschrift Elektor aus dem Jahr 1977, war ein analoger Modul-Synthesizer. Für viele war das Gerät damals der erste Kontakt zur Welt der synthetischen Klangerzeugung. Für Döpfer war der Formant das Sprungbrett zum Erfolg. Für den klobigen Soundsaurier konstruierte der Wahlmünchner ein spannungsgesteuertes Phasermodul und bot es in einer zweizeiligen Kleinanzeige an. Ich habe den Formant aber bald aufgegeben und bin dazu übergegangen, mir sämtliche Module selber zu bauen. Aber als Einstieg in die Grundlagen der Synthesizertechnik war der Formant genial. Wenn man einmal die VCO- oder Hüllkurven-Schaltung aufgebaut und abgeglichen hat, weiß man einfach, wie das alles funktioniert.

Bürgerpflicht hindert nicht

Gerade einmal das Physikdiplom in der Tasche, landete Döpfer zum Zivildienst in einem großen Münchner Krankenhaus. Ein Glücksfall, von dem der Unternehmer heute noch profitiert: Nach ein paar Wochen Bettenschieben, forderte mich die Augenabteilung an. Denn für Laseroperationen am Auge brauchten Sie einen Physiker.

Diese Augenabteilung hatte ein eigenes Entwicklungslabor, in dem Spezialelektronik konstruiert wurde. Döpfer: Wenn nichts zu tun war - und es war wenig zu tun - dann entwickelte ich halt Synthesizerschaltungen. Für den Oberarzt sah ja ein Schaltplan aus wie jeder andere.

Was herauskam, war Döpfers erstes komplettes Synthesizer-System, das PMS (Polyphones Modul System). Die jeweils vierstimmigen Module waren allerdings nur als Bausatz oder in Form bestückter Platinen erhältlich. Das PMS war wirklich nur was für Bastler. Die Frontplatten mußte man sich selber bauen. Aber ich habe viele Schaltungen aus diesem System jetzt wieder im A-100 verwendet. Vom PMS verkauften sich dann im Zeitraum von etwa drei oder vier Jahren wohl insgesamt nur etwa 30 bis 50 Systeme. Niemals hätte Döpfer damals zu träumen gewagt, daß er einmal 800 selbstentwickelte Modulsysteme in nur zwei Jahren verkaufen wird: den PMS-Ableger A-100, von dem die Gräfelfinger Firma bisher mehr als 16.000 Module an den Mann gebracht hat (Stand Ende 1997: 20000 Module).

Der Fall Curtis

Ende 1982 kam Döpfers Voice-Modular-System (VMS) auf den Markt. Von diesem Zeitpunkt an konnte der junge Physiker von seinem Geschäft leben. Das VMS bestand aus einer Karte mit zwei VCOs, VCF, VCA und zwei ADSR-Hüllkurvengeneratoren. Die Erweiterungskarte dafür war mit VC-LFOs ausgestattet, dazu gab es noch ein Interface für Commodore PET4000 später für den Homecomputer-Klassiker C-64.

Die gesamte Klangerzeugung war aus Spezial-Chips von Curtis Electronic Music Specialties (CEM) aufgebaut, die jeweils fast ein komplettes Synthesizermodul integrieren. Nach einigen Verhandlungen mit CEM-Chef Doug Curtis übernahm Döpfer die Europavertretung für die exotischen Chips, die bis dahin nur sporadisch als Ersatzteile importiert wurden.

Döpfer kurbelte den Verkauf an und bot die ICs Firmen wie Wersi, Waldorf, Böhm oder Dynacord an. Waldorf zum Beispiel benutzte die Curtis-Filter für den ersten Microwave, Dynacord für den ADS und auch das Böhm Soundlab wurde von Bernd Enders um die Curtis-ICs herum entwickelt, sagt Döpfer.

Mit diesen Chips gelang es erstmals ohne technische Klimmzüge hochwertige Synthesizer zu konstruieren. Insbesondere polyphone Geräte wären ohne diese Chips kaum denkbar oder zumindest unendlich teuer gewesen. Allerdings teilt Döpfer seither auch das Los vieler Firmen, die auf Spezialteile angewiesen sind und Kleinserien bauen: Bei den Curtis-ICs ist es immer unsicher, wie lange die aktuelle Charge noch lieferbar ist. Dann steht man plötzlich da und darf über Privatanzeigen nach Chips suchen, um eine Geräteserie weiterzuführen. Curtis startet die Produktion nicht für Kleinserien, und für mich sind Mindestbestellmengen von über tausend VCOs doch etwas riskant. Zumal die meisten

A-100-Kunden das mit Standardbauteilen aufgebaute VCO A-110 bevorzugen. Bei den Filtern ist das anders, die sind sehr beliebt und bei Curtis auch vorrätig.

Zeitenwandel

Der Jahreswechsel 1983/84 läutete endgültig das digitale Zeitalter in der Musikelektronik ein: Yamaha hatte mit dem durch und durch digitalen DX7 einen absoluten Verkaufsschlager. Außerdem zeigte Produzent Trevor Horn mit den Smash-Hits von Frankie goes to Hollywood, daß wohl der Sampler das Topwerkzeug der Zukunft sein wird.

Die Firma Doepfer reagierte blitzartig und brachte noch 1984 passend zum VMS eine 8-Bit-Samplerkarte auf den Markt. Darauf folgte eine Loop-Karte und ein Computer-Interface. Die von Programmierer Christian Assall erweiterte C64-Software bot für damalige Verhältnisse zwar exzellente Funktionen, dennoch schaffte der Sampler den großen Durchbruch nicht, obwohl ca. 300 Geräte verkauft wurden. Schließlich kam auch noch Ensoniqs MIDI-Sampler Mirage auf den Markt, der sogar die Bausatzvariante von Döpfers Karte preislich unterbot.

So machte sich der Jungunternehmer daran, auf Basis der Curtis-ICs einen Line-Mixer zu bauen. Das besondere daran: Mit VCAs und VCFs ausgestattet, war der Mischer vom Computer aus automatisierbar. Offensichtlich war diese Idee der Zeit zu weit voraus, jedenfalls blieb das Gerät unbeachtet. Döpfer zu den Ursachen: Wir haben festgestellt, daß Leute, die mit dem Mischpult arbeiten, ihre Schieberegler, ihre Knöpfe und ihre Schalter anfassen wollen. Es ist auch heute wohl noch so, daß die Mischpultautomationen nicht gut angenommen werden. Ich kann das auch verstehen, denn mit der Maus kann man einfach nicht mehrere Fader bewegen.

Der Tasten-Boom

So verlegte sich der Tüftler darauf, Keyboards zu bauen. Ergebnis: LMK1, ein einfaches Masterkeyboard. Eigens dafür entwickelte er gemeinsam mit der Firma Böhm den E-510-Chip. Fast ein Jahrzehnt lang bot er hinter den Doepfer-Tasten den Konkurrenten die Stirn: Es gibt Masterkeyboards, die nur sechs oder zwölf Dynamikstufen haben, so Döpfer, während unsere Keyboards den Anschlag mit der vollen Velocityauflösung von 127 Schritten abbilden.

Daß das Bauteil unter Döpfers Namen verkauft wurde, war eine marktpolitische Überlegung von Böhm: Böhm war die viel größere Firma. Wir hätten nie die finanziellen Mittel gehabt, einen Spezialchip zu entwickeln und dann bei einem Chiphersteller wie Elmos produzieren zu lassen. Allerdings wollte Böhm nicht, daß der E-510-Chip unter ihrem Namen vertrieben wird, denn dann hätten andere Firmen diesen Chip nie eingesetzt. Etwas von einer kleinen Firma wie Doepfer zu benutzen, rührte nicht so sehr an der Ehre, erzählt Döpfer amüsiert.

Allerdings sind wir jetzt einen Schritt weiter, so Döpfer, und bauen die Funktion des E-510 mit einem programmierbaren Standard-Industrie-Chip nach. Nur können wir jetzt auch nichtlineare Dynamik-Kennlinien verwenden, wodurch das Spielgefühl noch mehr in Richtung Klavier geht.

Finanziell stellte der Einstieg in den Keyboardbau den Durchbruch für die Firma dar. Produktion und Vertrieb platzen aus allen Nähten, das einstige Einmann-Unternehmen war erwachsen geworden: Lebensgefährtin Sibille Heller stieg in den Vertrieb ein, Matthias Marrass bei der Keyboard-Produktion, Christian Assall übernahm die Programmierung.

Der analoge Hammer

So mauserten sich die Masterkeyboards zum Hauptprodukt, das zwar gutes Geld einbrachte, den Elektroniker in Dieter Döpfer aber unterforderte. Im Sommer 1994 siegte die innere Stimme, ein analoger Synthesizer entstand: Der MS-404 war wirklich mein persönliches Vergnügen. Ich ging für die erste Serie von vielleicht 50 oder 100 Stück aus. Daß allein durch die Vorankündigungen nach den ersten zwei Monaten bereits 500 Bestellungen vorlagen, hat uns völlig an die Wand gedrückt. Mittlerweile hat sich Döpfers Vergnügen 3.000mal verkauft, was selbst den Branchen-Routinier verblüfft.

Die Idee zum Modularsystem reifte, nachdem immer mehr Kunden nach einem zweiten VCO oder weiteren ADSR-Generator für dem MS-404 fragten. Auch am Gebrauchtmarkt herrschte rege Nachfrage nach den alten Modellen. Zwei Gründe für Döpfer, in diese Kerbe - wenn auch sehr vorsichtig - zu schlagen: Wir bauten einige Basismodule und ließen Sie von unserem Bekanntenkreis ausprobieren. Die Resonanz war so positiv, daß wir beschlossen, gleich ein umfangreiches System zu konzipieren. Jetzt ist es so erfolgreich, daß wir mit der Zeit auch wirklich ausgefallene Module einführen.

Diesen Spaß, und das gibt er offen zu, hätten ihm die Keyboards alleine nicht bereiten können - auch wenn heute seine Arbeitswoche oft 70 Stunden lang ist. Es ist das Gefühl der ersten Stunde, das heute mehr denn je für Döpfer zählt: Wenn ich am Messestand stehe, und die Leute schrauben an meinen Geräten herum und finden das geil, dann interessieren weder Umsatzzahlen noch Überstunden. Wenn ich jemanden so sehr begeistern kann, dann war es die ganze Mühe es wert. Das möchte ich nicht mehr missen.

Zurück in die Zukunft

Analogtechnik - für das Unternehmen Doepfer bedeutet das zwar derzeit durchaus Erfolg. Doch Döpfer gibt sich realistisch und rechnet mit fortschreitender Marktsättigung. Digital, da gibt es für ihn keinen Zweifel, wird seine Firmenzukunft sein. Und auf diesen Zug ist man in Gräfelfing bereits aufgesprungen: Schon die nächsten Module (Sampler, Quantizer, Wavetable-Modul, Subharmonischer und Harmonischer Generator) des A-100 werden in der Hauptsache mit digitaler Signalerzeugung realisiert.

"Mir ist völlig klar, daß auch wir Produkte mit digitaler Technik bauen werden. Obgleich inzwischen viel CPU-basiert entwickelt wird, sind DSPs immer noch interessant. Und für uns hat gerade die Entwicklung mit dem MAQ 16/3, dem Schaltwerk und jetzt dem Regelwerk gezeigt, daß der analoge Zugriff auf die digitale Verarbeitung ein wichtiges Kriterium ist."

Ob digital oder analog, rechnergesteuerte Kirchenorgeln oder MIDI-Handschuhe - unvorstellbar scheint im Hause Doepfer nichts zu sein. Jedenfalls fast nichts, liebe Akkordeonspieler.

Rahmentexte zu dem Keys-Artikel:

Döpfer oder Doepfer?

Für Dieter Döpfer stellte sich diese Frage, als er zum ersten Mal Klebelettern für den Firmenschriftzug an seinen Geräten benötigte. Umlaute, wie das ö in seinem Namen, suchte Döpfer vergeblich. Genügend Es und Os waren aber vorhanden, so daß er das ö umschrieb: Seither tragen Firma und Produkte den Namen Doepfer.

Der Herr der Bits

Ein wenig umprogrammiert, hatte Christian Assall 1985 die Döpfer-Sampler-Software. Als er Döpfer telefonisch seine Version anbot, hatte Assall nicht weniger als fünf verschiedene digitale Syntheseformen in nur 64KB Arbeitspeicher realisiert. Döpfer war begeistert und Assall im Team: Bis heute trägt sämtliche Doepfer-Software seine Handschrift. Aber auch die Synthese-Programmierung in Steinbergs Sample-Editor Avalon stammt von ihm.

Hier Schneider, Düsseldorf.

Das Synonym für elektronische Musik lautet Kraftwerk. Als einziger seiner Branche darf Dieter Döpfer diesen Namen für Werbezwecke einsetzen. Döpfer: Eines Tages rief ein Herr Schneider an und wollte wissen, ob wir eine Spezialtastatur zum MIDI-Keyboard umbauen könnten. Der Anrufer war Florian Schneider von Kraftwerk. Schneider experimentierte viel mit Sprachsynthese und hatte eine Tastatur aufgetrieben, auf der sich Sprachlaute (Phoneme) statt Buchstaben befanden. Nach dem Umbau bei Doepfer, steuerte Schneider damit einen Sampler, in dem die Laute abgelegt waren. Am Ende konnte der Kraftwerker die Phoneme per Sequencer zu ganzen Sätzen verbinden. Bis das klappte, mußte Schneider einige Male nach München kommen, wo man sich näher kennenlernte. Auch beim Bau des Analog-Sequencers mit MIDI-Ausgang arbeitete das Unternehmen mit den Musikern zusammen. Seither dürfen wir das Gerät mit dem Namen Kraftwerk zu bewerben. Das geht aber nur, weil wir die Sache nicht übertreiben.

Zwiespalt

Die Firma Doepfer hat früher direkt an Endkunden verkauft. Wer etwas testen wollte, bekam eine Adreßliste von Kunden, die ihre eigenen Doepfer-Geräte vorführen. Schließlich verlegte Döpfer den Vertrieb doch auf ausgewählte Stützpunkthändler, was er nicht immer für optimal hält: Beim A-100 oder bei den Sequencersystemen ist mehr Spezialwissen nötig, als wir von den Händlern verlangen können. In diesen Extremfällen sei eher das alte System angebracht, so der Firmenchef, eine zweigleisige Lösung bahne sich daher an.